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Kunstverein Düsseldorf

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Philara
frieze
Deutschlandfunk
Rheinische Post

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Ein verrammelter Bahnhof in Thüringen, weit entfernt Anzeichen eines Dorfes. Der Himmel zieht mächtig und düster zu, es beginnt zu regnen. Wie kommen wir hier nur jemals wieder weg? Aber wir wollen ja erst mal hin! Das letzte Stück fährt uns ein Taxi durch den tiefen, deutschen Wald Richtung Kyffhäuser, Richtung Denkmal. Es schüttet, auf den Serpentinen uns entgegen knattern Rocker-Banden auf Harley Davidsons, lange weiße Bärte. Das Radioprogramm des Mitteldeutschen Rundfunks überträgt von einem Heimatfest in der Nähe. Dort findet ein Live-Rollenspiel statt, die Bevölkerung spielt die Völkerschlacht von 1813 nach. Anwohner hüpfen in historischen Kostümen durch die Gassen, berichtet der Außenreporter. Randalierende Horden überfallen gerade das Dorf, spricht eine Frau ins Mikrofon. Sie habe Angst, sie würden alles zerstören. Auch ihre liebe Ernte. Dann singen die Puhdies elegisch von einem Vorhang, der gefallen ist, dass sich Winde drehen und Menschen gehen, aber „Geschichte bleibt, die nimmt uns keiner mehr“. Dann sind wir da. Was ist los am teutonischen Touristenhotspot Kyffhäuserdenkmal, an einem normalen Samstagnachmittag? Mineralsteine, Bergkristalle, Deutschlandfahnen, Armbrüste, Traumfänger, Bratwurst für 1,50. Ein Holzschild, auf dem steht „Heimat“ und „Wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört, weil sie unserem Volke gehört.“ So hatte man es sich vorgestellt. So ist es dann auch wirklich. Kurz unterm Kyffhäuser, erstmal essen und einkaufen. Man wählt Kohlroulade mit Rotkohl und Thüringer Klößen. Und schaut auf Bretterbuden im Halbkreis, Verkäufer mit geflochtenen Bärten, Bienenhonig und Met. Neben dem Kyffhäuser-Hotel hat der Gastwirt eine hölzerne Merkelstatue aufstellen lassen, in der stecken viele rostige Nägel. Besucher, so war zu lesen, wurden eine Zeitlang dazu angehalten, sie in die Kanzlerin hineinzuschlagen. Wieder ein paar Meter weiter liegt Paul von Hindenburg in einer Grube. Die steinerne Statue aus der Nazizeit soll nach dem Zweiten Weltkrieg von sowjetischen Soldaten vom Sockel gestoßen und vergraben worden sein, nun weiß keiner so richtig, was man mit dem Mann machen soll, der Hitler zur Macht verholfen hat. Es ist auch nicht einfach, sich hier zu konzentrieren, zu schwer alles, zu viel Geschichte, zu viele Denkmäler, zu heile, zu kaputt, zu still ist es hier. Der Regen hat aufgehört, aber der gleißende Gewitterhimmel lässt das Licht wie aus Studiolampen scheinen, wie in einer Filmproduktion des Regio-TV. Es ist so irre still hier, als hätte einer den Fernseher leiser gedreht. Die riesigen Bäume raunen, Gewalt liegt in der Luft. Wir reden was, wir wandern hoch, hoch auf den Kyffhäuser. Dort steht es in phallischer Pracht, das Denkmal! Und in ihm drin, illusionistisch in den Sandstein gemeißelt, sitzt Barbarossa und spreadet, mit mächtigstem Bart, schläfrig und grollig seine Beine. Barbarossa aka Friedrich I. war Deutscher Kaiser im Mittelalter. Man weiß wenig über ihn, erzählt sich aber umso mehr. Er war Analphabet, lud Ende des zwölften Jahrhunderts einmal 40.000 Ritter plus Knechte nach Mainz ein zu einer der größten Partys des Mittelalters und vereinte das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das sich damals bis nach Sizilien erstreckte. Er verstarb auf einem Kreuzzug am türkischen Fluss Saleph. Aber was heißt schon sterben? Der Sage nach weilt Barbarossa ja direkt unter uns, in einem unterirdischen Höhlenschloss und schnarcht. Solange, bis Deutschland wieder geeint ist. Dann steht Barbarossa auf, um erneut ein goldenes Zeitalter zu begründen. Dass das nicht nur golden, sondern auch deutsch sein wird, versteht sich von selbst. Dass der Mittelalter-Rotbart hier so groß und berühmt sitzt und pennt, das hat er den Preußen zu verdanken. Kurz nach dem Tod Wilhelms des I. suchte man händeringend nach neuen Geschichten, wie man das eigene verkauft und Tradition im neu geeinten Reich performt. Der auf Beamtentum und Militär gebauten Staatsmacht fehlte es an Pathos und Mythos. Außerdem drängelte innenpolitisch der Feind Sozialdemokratie. Man musste Zeichen setzen. Das Kyffhäuser-Denkmal, dass die Kaisertreuen von 1890 bis 1896 vom Düsseldorfer Architekten Bruno Schmitz an den Rand des Thüringer Waldes bauen ließen, dachte man sich nun als direkten Draht zum identitätsstiftenden Mittelalter. Es war eine Zeit, in der sich die Künstler nützlich machen konnten. Die Germania von Niederwald, das Hermannsdenkmal bei Detmold und viele andere Ehrenmale wurden in der Zeit riesenhaft in die deutsche Landschaft gesetzt, um eine Nationalgeschichte zu konstruieren, an deren Ende die Gegenwart steht. Parallel dazu wurden große Kaiser- und Künstlerfeste gefeiert, um diese Geschichte mithilfe von Darsteller*innen in „lebende Bilder“ zu verwandeln, bis deren Essenz komplett internalisiert wurde. Der deutsche Mythos war geboren. Das deutsche Wesen war geboren. Düsseldorf galt als Zentrum dieser gewaltigen Gesellschaftsereignisse und Volksfeste, bei denen aktuelle Politik geschickt in der neu gegründeten Geschichtswissenschaft eingewebt wurden und gleichzeitig der Öffentlichkeit ermöglichte, das neue nationale Narrativ immersiv zu erleben. Auf der maßlosen Anlage im Kyffhäusergebirge thront nun also über dem Barbarossa-Denkmal ein nochmal größeres Denkmal vom Gründer des Deutschen Reiches von 1871, auf einem riesigen Pferd. Über diesen Bezug zum Staufenkaiser erscheint so der überlebensgroße Wilhelm I. als Vollstrecker der deutschen Reichseinheit und legitimierte Erbe des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Björn Höcke stand auch schon öfters hier. Unter dem Denkmal trifft sich einmal im Jahr der völkisch-rechtsnationale, so genannte „Flügel“ der AfD und feiert ein Fest der Selbstvergewisserung. Für Höcke-Freund Kalbitz ist das Kyffhäusertreffen ein patriotisches Kraft- und Ruhezentrum, in dem die Kameraden unter Gleichgesinnten ihre Batterien mit Mythos aufladen können, um dann frisch gestärkt wieder in den Kampf ziehen zu können. Man braucht viel Ruhe für viel Zorn. Das Überleben des Volkes hängt von der Wut des Volkes ab. Das sagt AfD-Philosoph Jongen. Für ihn leidet die Bundesrepublik unter einer „thymotischen Unterversorgung“. Er diagnostiziert den Europäern eine Armut an Zorn und Wutbereitschaft. Thymos ist ein altgriechisches Wort, das in seiner Bedeutung zwischen Mut, Zorn und Empörung schwankt. Barbarossa war wütend, er guckt zornig. Still ist die Landschaft, zornig der Kaiser. Erst wenn Adler statt schwarzer Raben über dem Kyffhäuser kreisen, wacht Barbarossa auf. Exakt achthundert Jahre nach seinem Tod war Wende und Wiedervereinigung Deutschlands. Ist er aufgestanden? Ist er nicht. Das war alles noch viel zu klein. Der Wunsch nach einer Wiederverzauberung der Welt ist heute groß. Die Romantik entstand als Gegenbewegung zur Verstandesherrschaft der Aufklärung und der industriellen Revolution. Im Schatten der auf Zahlencodes gegründeten digitalen Revolution entsteht 200 Jahre später eine neue, schwarze und oftmals auch braune Romantik, der bei Ritterspielen auf einsamen Schlössern gefrönt wird, auf denen rechtsnationale Esoteriker alten deutschen Adelsgeschlechtern nachempfinden oder sich gleich als Reichsbürger noch radikaler einmauern. Darum geht es auch, wenn sich Höcke in einem kurz darauf abgebrochenen ZDF-Interview stolz dafür entschuldigt, seine Sprache würde ‚ins Poetische gehen’. In dieser Sphäre der raunenden und freien Kunst, die er für sich beansprucht, sind letztlich auch NS-Termini Auslegungssache. Er will keine Mahnmale mehr, er will deutsche Denkmäler. Von überall her rufen sie nach abgeänderten Geschichtsschreibungen, in denen nicht mehr die Renaissance der helle, klare Morgen der Weltgeschichte ist, sondern der Beginn eines kalten, klaren Bösen. Und im Mittelalter, als die Waldhexe noch fuchtelte, der letzte Sinn. Die AfD-Leute wollen was Quasimagisches, Ritualistisches, Religiöses. Was mit Hermann. Um die personifizierte Germania versammelten sich beim Künstlerfest die Figuren von Kunst, Sage, Geschichte und Poesie, um unter der Führung von Kunst Begebenheiten der deutschen Geschichte, in Bildern darzustellen. Ein Geschichtsspiel. Nationalküche, Kostüme, Wurzeln. Hat man die 247 Stufen Wendeltreppe im Turm überwunden und steht japsend oben an der frischen Luft, dann ist es plötzlich da: Deutschland, soweit das Auge reicht. Die gelbglänzenden Felder und dunkelgrünen Wiesen, quadratisch in die Landschaft gelegt wie ein Blechkuchen. Dazwischen, daneben, dahinter: Wald. Die Buchen, die Eichen, die Fichten, die Kiefern, die Tannen, der poetische, der wilde, der deutsche Wald. Hier oben bäumt sich einem nicht nur das Kyffhäusergebirge entgegen, auch vom Harz ist etwas zu sehen, nördlich geht der Blick in die so genannte Goldene Aue. Und dann natürlich, gen Süden: Der dunkle Thüringer Wald. Groß fühlt sich das alles an, und klein man selbst. Unglaublich still ist es hier. – Timo Feldhaus & Alex Wissel

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Forde

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This photo was made during the 1000th year jubilee of the village where I grew up. Part of the celebration was a huge procession of the villagers dressed up in characters drawn on the village’s history. I played a person infected by plague in the middle-age section of the parade. It´s one of the most vivid memories I have — walking with almost the entire population in a seemingly endless time warp through the little streets of the tiny village. Somehow there was a diffuse atmosphere of greatness flying around the proud citizens, collectively overcoming the mechanics of time. People of all ages, classes and backgrounds were performing a kind of fake or imaginary history, because obviously there had been no real professional research conducted on the history of the village before staging the procession. But this didn´t really matter at all, because what was the most striking part in this crude appropriation process was that both – conservative and anarchical – projections of the past were performed together in the procession. Twenty-three years later I´m more interested in the reasons we don´t know so many left-wing interpretations of the past. Where and when did right conservative powers started to perform national identity? How did right-wing ideas of nationality and history become hegemonial? Starting with the exhibition at Forde, I will try to trace how this right-wing construction of the past was made by artists with a so called authoritarian personality in a national collaborative process between history painting, national monuments and storytelling at costume feasts in the 19th century. And how these old anti-democratic reactionary ideas are nowadays reactivated by the new right with the helping hand of neoliberal politics. Please come by, I will probably give a kind of lecture with an introduction to the topic during the opening!

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courtroom #1 mit Maximiliane Baumgartner und Madeleine Bernstorff

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courtroom #2 mit Maximiliane Baumgartner und Timo Feldhaus

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spacecourtroom #3 mit Maximiliane Baumgartner, Ewa Einhorn und Karolin Meunier

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mit Jan Bonny

Harburger Bahnhof

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mit Jan Bonny

Volksbühne Berlin
Museum Abteiberg
Filmfest München
Neuer Aachener Kunstverein

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Ginerva Gambino

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Achenbach sitzt vornübergebeugt auf einem Stuhl. Es ist Nacht, es ist Düsseldorf, er macht aus Dollarzeichen Eurozeichen. Und verdient damit sau viel Geld. Bei den Rechnungen handelt es sich um Kunstcollagen, sagt der Kunstberater später. Um Millionen betrogen habe er sie, sagen die Aldimänner und andere Duzfreunde von damals. Damals musste er oft selbst noch lächeln über seine Schlitzohrigkeit. Campo Bahia, das Quartier der Nationalmannschaft in Rio 2014. Der Bundestrainer redet abwechselnd mit dem brasilianischen Häuptling und mit Ulli Lommel, der einen rosafarbenen Cowboyhut aus Schlangenleder trägt. Das Campo sei wie ein Übergangsritus, es geht um das Hinübergleiten „in eine andere Welt“. Achenbach hat Jogi und Manager Bierhoff das ganz große Konzept verkauft: Das Quartier brauche Kraft, innovativen Geist. Es brauche Kunst. Auf allen Zimmern, überall. Andreas Gursky gestaltete später mit Claus Föttinger die Mannschaftsbar. Lam- penschirme mit Jogis Gesicht. Eine Win-Win-Situation. Catch your dream. Die Tür zum Trainingsgelände: Ein 2x2 Meter großer Traumfänger. Kunst kann helfen, Kunst muss helfen. „Mach ihn! Er macht ihn!!! Da ist er gekommen dieser eine Moment. Ein Traum für 80 Millionen Deutsche kann in 7 Minuten wahr sein.“ Auch für den Kunstberater und Storyteller Achenbach war es der größte Triumph. Und der letzte. Kurz nachdem der Siegerflieger der Lufthansa auf deutschem Boden landete, legten sie ihn in Handschellen. Er hat Immendorff groß gemacht, er hat sie alle groß gemacht. Monkeys Island, Kokain, Currywurst. Er kannte kein Weekend. Er kannte nur Aufstieg. Achenbach begann als Sozialarbeiter, Immendorff als Hauptschullehrer, Schröder als Industriekaufmann. Das tun, was zu tun ist. Aber sind wir nicht alle ein bisschen Achenbach? Flexibilität, Verführung, Egozentrik. Die großen Erzählungen sind tot, es ist Zeit für Small Talk. Der neue Geist des Kapitals: Die Cashflow-Honigpumpe. Beuys wollte ja immer alles weich haben, verschiedene Aggregatzustände, verflüssigt fließt Geld durchs Deutschlandgebäude, Deutschland- AG, Ich-AG. Der totalerweiterte Kunstbegriff: Life-Work-Balance, Casual Friday, New Labor. Endlich mal wieder neue Lebensformen! Und alte Männerfreundschaft. Der radikale Professor hat nur vorbereitet, was Achenbach dann vollendete. Wir sind alle La Mannschaft, das Produkt unserer Zeit. Catch your dream. Der Ur-Typ des Krea- tivkünstlers, er wurde in dem Loch geboren, das die Zeit zwischen ihnen beiden schlug. Verträge wollen die jungen Leute heute gar nicht mehr. Das ist jetzt alles ganz frei. Beuys. Beuys. Boys. – Timo Feldhaus

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Hamburg – Herzliya mit Moritz Wegwerth

Fotos von Moritz Wegwerth, Marion Benoit, Jan Wagner

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Vielleicht fragst du dich, wie ich so leben kann, vielleicht denkst du, ich komme nicht voran. Lass mich dir was erklären, vielleicht kannst du noch was lernen. Sehnst du dich nach Klarheit, so höre meine Wahrheit. Ich bin faul, weil ich so will, ganz ohne Drill. Ich lad ́ dich ein zu träumen, warum nicht versäumen, was auf der Welt passiert Gammeln ist modern, alles andere liegt mir fern. Ich bin doch kein Konzern. Jede Qual ist ein Skandal, das ist mein Ideal, oder nenn es auch Moral. Ich lebe im Moment, wo die Zeit nicht rennt, ganz dekadent. Das ist mein Trick, und nebenbei noch schick. Sei schlau und mach blau, und nimm ́s nicht so genau. Vielleicht hast du ́s jetzt kapiert, wie mein Leben funktioniert, vielleicht bist du inspiriert. Ich muss los und mach die Biege, schnell zurück zu meiner Liege. Doch hier mein Resümee bevor ich geh: Lass den Kram und bleib lahm. / You may ask yourself, how can I live like this, You may think, that I am standing still. Well, let me tell you something, And maybe you could even learn a little. If you long for clarity, Then listen to my truth. I am lazy, because that´s the way I wanna be, Totally, of my own free will. I invite you to dream along with me, Why not neglect, What is happening in the world. Bumming around is the new thing, Everything else seems so far-fetched. I am no conglomerate. Where every anguish is a scandal, That is my ideal, Or call it morality. I live for the moment, Where time doesn’t fly, Completely decadent. That’s my trick, And bye the way it is very chic. So, be smart, And skip work. And don´t take yourself too seriously. You may have figured out now, How my life turns out, Maybe you are even inspired. I have to go now and get lost, And get back on my couch. But before I go, This is my resumé: Leave all the crap alone And stay slow. – „Faultierlied“ Camillo Grewe & Alex Wissel
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Produzentengalerie Hamburg

Ginerva Gambino

Lovaas

Contemporary Art Daily

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mit Jan Bonny und Studio for Propositional Cinema

Mumok
Ginerva Gambino
Contemporary Art Daily

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Zur Ausstellung Come Together von Alex Wissel: Alex Wissel nennt sich für die Ausstellung im Ve.Sch das erste Mal Alex, statt wie bisher Alexander. Künstlernamen funktionieren oft dann am besten, wenn es der Vorname ist, der den Namen unverwechselbar und sofort erkennbar macht. Dem Vornamen wird die emotionalere und persönlichere Seite eines Namens zugeordnet. Das emotional und persönlich Besetzte interessieren Alex Wissel ohnehin sehr viel mehr, als das rational und strategisch Geplante. So entstammt auch die Idee, den Vornamen nun auch gleichsam offiziell zu kürzen, dem alltäglichen Gebrauch der Kurzform Alex durch Freunde und Bekannte, und weniger einer karrieretechnischen Überlegung. Alex Wissel ist tatsächlich mehr Veranstalter und Regisseur von sozialen Situationen, als Architekt von Ausstellungseinrichtungen. Die Einladung zur Ausstellung im Ve.Sch ist mit der Bitte verknüpft, den gerade unter der Regie von Jan Bonny im Entstehen befindlichen Film Single als zentrale Arbeit zu zeigen. Der Film dokumentiert eine wesentliche Arbeit Wissels aus dem Jahr 2011, den Single Club. Der Single Club findet insgesamt zwölf Mal statt, in jedem Monat zwischen Juni 2011 und Juni 2012 jeweils einmal. Jeder Single Club dauert 24 Stunden. Veranstaltungsort ist der Keller eines kleinen Lokals im Umkreis des Hauptbahnhofs in Düsseldorf. Es heisst Agi ́s Bistro, und dient vor allem den Arbeitern aus Albanien als Treffpunkt. Der Umsatz wird durch die Bar und einige Spielautomaten erwirtschaftet, weshalb die Kegelbahn im Keller, die noch von den Vorgängern stammt, nutzlos wird. Die Kellerräume werden für jede Ausgabe des Single Club von Wissel zusammen mit Künstlerfreunden aus seinem Umfeld neu gestaltet und umgebaut. Wissel stellt jeden Single Club unter ein loses Motto, das gemeinsam in der Raumgestaltung assoziativ umgesetzt wird. Er erfindet und gründet Bands, die nur für eine Nacht bestehen. Wichtig bleibt für Wissel der streng gesetzte, zeitliche Rahmen des Projekts. Nur so kann er sicherstellen, dass es sich beim Single Club um das Modell eines Clubs handelt, um das Werk eines konzeptuell arbeitenden Künstlers, nicht um eine kommerziell motivierte Unternehmung. Wissel bringt sich während der Vorbereitungen und der Laufzeit des Projekts an die Grenzen seiner psychischen und physischen Belastbarkeit. Konflikte mit der Baubehörde, der Feuerpolizei, dem Lokalbesitzer, den künstlerischen Mitstreitern und dem Vermieter der Privatwohnung begleiten die Arbeit am Single Club. Die Unterstützung, die das Projekt von öffentlichen Institutionen Düsseldorfs und Nordrhein-Westfalens erhält, reicht gerade für die ersten Ausgaben des Single Clubs. Wissel erzählt mir rückblickend, dass die Arbeit von Beginn an auf der Idee der Verschwendung aufgebaut ist, und das unfreiwillige Ende immer mitgedacht bleibt. Der Single Club ist untrennbar mit der Gratwanderung an der privaten und ökonomischen Selbstaufgabe Wissels verbunden. Der Regisseur Jan Bonny wird auf den Single Club und Alex Wissel aufmerksam, und bietet an, die Vorarbeiten sowie die Veranstaltungen selbst mit einer Kamera zu begleiten. Ziel ist es, den Single Club filmisch zu fassen, mit dokumentarischen wie mit dramaturgischen Mitteln. Zur Zeit der Ausstellung Wissels im Ve.Sch existieren einige Rohfassungen des Films, manche sind mehrere Stunden lang. Es gibt sehr viel dokumentarisches Material, das vor Ort im Single Club entsteht. Dazu kommen mehr und mehr geschriebene Szenen, die markante Ereignisse rund um die Entstehung des Single Club zeigen. Eine der bemerkenswertesten ist sicher jene, die das Auseinanderbrechen von Wissels Beziehung zeigt. Die Szene wird mit den real beteiligten Personen für die Kamera nachgespielt. Die Szene legt nahe, dass die Trennung ein möglicher Antrieb ist, für das darauf folgende Kokettieren mit der Selbstzerstörung während der Arbeit am Single Club. In der Ausstellung Come Together ist ein etwa 6 Minuten langer Trailer für den noch unfertigen Film zu sehen. Er läuft im größeren der beiden Ausstellungsräume als Loop, die Projektion nimmt den gesamten Raum ein. Gegenüber dem Eingang hängt ein Plakat des Studio for Propositional Cinema, eines Künstlerkollektivs aus Düsseldorf. Das Plakat stammt aus dem Inventar des Single Club, darauf steht in weißen Versalien auf schwarzem Grund: Jeder der diese Räume betritt, erklärt sich dazu bereit gefilmt und/oder fotografiert zu werden und verzichtet auf das Recht am eigenen Bild. Ist die mediale Verwertung des Single Club durch Video, Paparazzi und Ausstellungen von Beginn an der vielleicht wichtigste Aspekt des Projekts, wird durch die Wiederverwendung des Plakats an einem neuen Ort eben jener Unterschied sichtbar, dass nämlich dem Ve.Sch bei allen strukturellen Parallelen zum Single Club die ambitionierte mediale Ästhetisierung und Mystifizierung eher noch bevorsteht. Der Unterschied beider Orte besteht darin, dass der Single Club immer nur auf den Ausnahmezustand zusteuert, und diesen auch als solchen kenntlich macht und (über)betont, während das Ve.Sch versucht, seine Existenz im permanenten Ausnahmezustand wie Normalität aussehen zu lassen. In beiden Fällen gelingt die Inszenierung, wird der Single Club ja von allen, die ihn besucht haben, mit Exzess und Selbstverbrauch in Verbindung gebracht, während sich im Ve.Sch der Exzess des Selbstverbrauchs hinter den Kulissen abspielt, und tatsächlich weitgehend unbemerkt bleibt. Im kleinen Ausstellungsraum steht eine mit Chromspray besprühte, männliche Schaufensterpuppe, deren Haltung an die eines entspannt an der Schank lehnenden Barbesuchers erinnert. Es ist Wissels anerkennende und um die Schwierigkeiten von sozialer Arbeit wissende Hommage an den Ausstellungsort. Es bedeutet für Wissel eine bewusste und auch willkommene Distanzierung von der hohen emotionalen Involvierung in den Single Club, den Ausstellungsraum im Ve.Sch sehr reduziert und präzise zu bespielen. Eine Projektion, ein Plakat, eine Skulptur. Jeder Raum des Ve.Sch enthält genau eine Arbeit. Der große Ausstellungsraum wird zum Kino, im Raum mit der Bar hängt das Plakat gleichsam wie eine Hausordnung an der Wand, im kleinen Ausstellungsraum steht die Skulptur. Ich denke der Single Club war zu einem guten Teil auch ich, und die Fähigkeit, die ich am besten beherrsche, ist Enthusiasmus. Ab einem gewissen Zeitraum hatte ich nur mehr das Gefühl, versagt zu haben, und eine große Leere machte sich in mir breit. Eine Leere, die ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr auszuhalten war. Es hat nicht mit meiner Umgebung zu tun, die Leute waren immer sehr freundlich zu mir, und niemand ist zu beschuldigen, außer mir selbst vielleicht. Ich habe mir lange Zeit etwas vorgemacht, und jetzt, da meine Illusionen wie Scherben vor mir liegen, möchte ich nicht mehr länger krampfhaft an etwas festhalten, das schon lange verloren ist. Die physische Erfahrung von 24 Stunden ist wichtig für mich. Diesem Moment, in dem Repräsentation zu Partizipation wird, gilt mein Hauptinteresse. Die Figur des Barbesitzers übt einen großen Reiz aus. Das ist mit das Attraktivste, was man machen kann. Wenn man in einen Laden geht, braucht es immer jemanden, der ihn repräsentiert, der ihn ausfüllt und auflädt. Das Publikum hat zu dieser Person eine emotional aufgeladene Beziehung, da sich in ihr alle Versprechungen und Erwartungen, die die Leute an sich selbst und an ihre Nacht haben, bündeln. Ich meine, wenn Du machst, wie hast Du früher gemacht, ich sehe nichts, gar nichts. Wann Du änderst Du, Du ich sehe Dich eine gute Schauspieler, richtige Schauspieler, doch doch. Vielleicht kommst Du bis Hollywood. Alex Wissel arbeitet weiterhin mit Jan Bonny an der Fertigstellung von Single. Der Schwerpunkt der Arbeit verlagert sich mit der Zeit jedoch vermehrt auf die Einbindung weiterer, geschriebener Szenen und die Einführung neuer Erzählformen. Die Figur Wissels wird im Film sowohl durch seine Gesichtszüge tragende Puppen, als auch durch andere Personen dargestellt. Auch die Skulptur in der Ausstellung kann als Double Wissels gelesen werden, die spiegelnde Oberfläche als materielle Umsetzung der ideellen Projektionsfläche des Publikums, die Wissel in der Rolle des Veranstalters sein will. Wissel plant zudem, die Videoaufnahmen von einem von ihm im Ve.Sch gehaltenen Vortrag wiederum in den Film einzubauen. Die chromfarbene Schaufensterpuppe aus der Ausstellung wird ebenso als Substitut Wissels im Film vorkommen. Es ist denkbar, dass es von Single nie eine endgültige Version geben wird. Der Film kann als letztlich unabschließbare Arbeit in immer neuen Versionen gezeigt werden. Das kann in Ausstellungen passieren, genauso wie im Kino oder der geheimen Liebe Wissels, dem Fernsehen. Eine Weile lang werden wir also diverse andere Menschen als Alex Wissel zu sehen bekommen, der eigentliche Alex Wissel löst sich auf. Ich bin noch immer ziemlich unter Druck wegen des Vortrags. Ich konnte lange nicht arbeiten, weil Alex Wissel in meinem Zimmer gewohnt hat (wegen seiner Ausstellung im Vesch), und ich jetzt auch noch aus meinem Keller ausziehen muss, bzw. dort nichts mehr tun und lagern darf, was nichts mit Musik machen zu tun hat. Die Zeilen oben sind eine erste Idee für eine Struktur, die noch sehr offen ist. Es geht jetzt darum, diese zu überprüfen, und auf mögliche Übergänge in inszeniertes und dokumentarisches Material abzuklopfen. Franz Zar

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Temporary Gallery
Galeriji Fakulteta
aiurart
Tom Dick or Harry

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Düsseldorf 2011 und 2012. Einmal im Monat öffnet Alex Wissel seinen Nachtclub Single für vierundzwanzig Stunden. Die Innenarchitektur gestalten jeweils Künstler. Drei ehemalige Kegelbahnen im Keller unterhalb des albanischen Bistro Agi sind laut und schwitzig. Es sind Räume voll skurriler Enthemmung. Agi, dessen Bistro Eingang zum Single ist, spielt eine tragende Rolle. Der Single verlässt das Bistro Agi und findet andernorts statt. Regisseur Jan Bonny und Wissel wollen das Projekt verfilmen. Bonny verschenkt Kameras. Die Dinge verschieben sich. In einem Gespräch über den Single kam Alex Wissel unter anderem auf eine Reihe von Büchern zu sprechen, die ihn in diesem Zusammenhang beschäftigten. Unter diesen findet sich auch das noch immer aktuelle Werk The Fall of Public Man von Richard Sennett, der seine Thesen, wenn auch sehr kritisch, unter anderem auf dem ebenfalls von Wissel genannten Buch The Presentation of Self in Everyday Life von Erving Goffman aufbaut. Goffman legt in seinem Buch anschaulich dar, wie sehr unsere Handlungen einem gesellschaftlich bedingten Schauspiel entsprechen. Sennett übernimmt diese Analyse, wendet aber ein, dass Goffmanns Modell starr sei und kein Überschreiten der gesellschaftlich festgelegten Rollen erlaube. Außerdem untersucht er die umfassende Umwälzung des öffentlichen Lebens, weg von einer handlungsbasierten Gesellschaft, hin zu einer durch das Intime vereinnahmten Gesellschaft. Am Beispiel des Single lassen sich die Thesen Goffmans und Sennetts aktualisieren. Außerdem erlauben sie eine distanzierte und recht abstrakte Betrachtung des Single, der im vorliegenden Text Öffentlichkeit repräsentiert. Wissel tritt als ambivalenter Held für eine neue Öffentlichkeit ein. So wird der Single, der sich als Projekt in dem gleichnamigen Film fortsetzt, wo er die Geschichte seiner eigenen Öffentlichkeit erzählt und dabei die Grenzen zwischen Spiel und nicht-Spiel bewusst aufhebt, als seine vorerst sichtbarste Manifestation einen Film hinterlassen, der von einem großen Ringen um die Sphäre des Öffentlichen handelt. Der Single Club ist dabei vornehmlich Bühnenbild: nichts, das sich hier ereignet, bleibt dem Individuellen verhaftet, alles wird exemplarisch im Film. Alles kontingent Zeichenhafte gewinnt seine Symbolkraft in dieser Transformation wieder. Und schließlich wird sich bei genauer Betrachtung des Films zeigen, warum der Verlust des ursprünglich Dionysischen - ein Begriff, der nicht ohne Grund nur mit ironischem Unterton ausgesprochen wird - auf den Verfall von angemessenem Handeln in der Öffentlichkeit, das ist Zivilisiertheit, zurück geht. Der Single kann als Repräsentation von Öffentlichkeit betrachtet werden, insofern er von Wissel als eine Art Bühne konzipiert wurde. Auf dieser Bühne soll jede Handlung repräsentativen und damit öffentlichen Charakter annehmen. Damit gleicht eine Nacht im Single Club einer Theateraufführung. Der Single Film wird so auch zu einer Theaterverfilmung. Das Genre der Theaterverfilmung hat eine in diesem Zusammenhang relevante Geschichte. Siegfried Krakauer hat sich dieser Geschichte angenommen und einige wesentliche Punkte dargestellt. Er weist darauf hin, dass das Theater einen symbolisch dramatischen Charakter habe, wohingegen der Film eher zeichenhaft sei und daher dem ‚Fluss des Lebens‘ entspräche. Die Theaterverfilmung ist besonders interessant, weil der Film hier seine eigene Antithese, das Theater, als Motiv nutzt. Die determinierte Symbolik des Theaters lässt die fließende Zeichenhaftigkeit des dargestellten Lebens im Film besonders deutlich hervortreten und, vice versa, wirkt das Theater im Film besonders theatralisch. Dem Fluss des Lebens entspricht nach Krakauer das Wesen des Films. „Der Fluss rauschte, und da er jenseits seiner bloßen Dinglichkeit nichts kannte, tat er das Tun“. In der Geschichte des Kinos wird der Dualismus Film - Theater zunehmend differenzierter behandelt. Ein Höhepunkt dieser Geschichte ist der Film Opening Night von John Cassavetes, in dem Gena Rowlands, Cassavetes Ehefrau, die alkoholkranke Theaterschauspielerin Myrtle Gordon darstellt. Das Theater fungiert als zentrales Motiv des Films. Die persönlichen Probleme Gordon‘s durchdringen die der Rolle der Darstellerin auf der Bühne. Nicht allein die Leere ihrer Star-Existenz färbt auf das Spiel ab; auch die auf der Bühne exemplarisch behandelten Themen beeinflussen in zunehmenden Maße ihr Privatleben, was sich dem Kino-Besucher in peinlicher Intimität offenbart. Die sich zuspitzende Krise löst sich in einem Bühnenauftritt Myrtles, den sie vollkommen betrunken meistert. Der Suff ihres privaten Lebens taucht das Spiel auf der Bühne in ein gänzlich anderes Licht; das Publikum reagiert mit Begeisterung, da das Spiel ein außergewöhnliches Maß an Authentizität erreicht. Somit löst sich andererseits aber auch ein Teil der affekthaften Privatheit Myrtles, indem diese ihre Privatheit auf der Bühne eine Verallgemeinerung, eine Sinngebung und Symbolwerdung erfährt. Die filmischen Einstellungen, die Cassavetes in diesem Film wählt, entsprechen dem Inhalt des Films völlig. Besonders die Nahaufnahmen der Gesichter der Schauspieler auf der Bühne belegen, wie sehr sich Film und Theater hier durchdringen. Cassavetes selbst gibt, wenn er über den Film spricht, erste Hinweise darauf, wie sehr ihn die oben bislang nur oberflächlich angeklungenen Themen von Selbstsdarstellung, Öffentlichkeit, Privatheit und Intimität in Opening Night beschäftigt haben. „Opening Night handelt vom Darstellungstrieb in uns allen, und dass er übermächtig werden kann, dass wir in irgendeiner Kleinigkeit scheinbar völlig falsch liegen und nie wissen, um welche Kleinigkeit wir kämpfen werden, (...). Ich glaube man ist hin- und hergerissen, ob man ein Individuum ist, als das ich mich in diesem Moment empfinde, oder Teil der Gesellschaft, und ich glaube, wir alle sind ständig zwischen beidem hin- und hergerissen, (...). Myrtle hat zwei Ichs. Das eine rekrutiert sich aus Gena Rowlands‘ eigenen Lebensumständen, Familie, Kinder, Schule, Haus; die eigene Identität und der Kampf ums persönliche Überleben beim Erledigen der häuslichen Pflichten. Das andere ist die Vorstellung von der eigenen Existenz, wenn es all das nicht gäbe.“ Was Cassavetes meisterhaft verfilmt, stimmt nachdenklich, denn diese nahezu vollkommene Vermischung von Privatem und Öffentlichem, die der Film vorführt, stellt eine Bedrohung für das öffentliche Leben, für ein repräsentatives Leben, dar. Der Single Film legt ein ähnlich beeindruckendes Zeugnis dieser Entwicklung, die sich heute noch weit zugespitzt hat, ab. Im Gegensatz zu Opening Night gewinnt Single aber zumindest eine Ebene der Repräsentation dazu. Hier werden nicht nur das fiktive Leben der Schauspieler und deren Verhältnis zum fiktiven Theater filmisch dargestellt, sondern auch das reale Ereignis des Single Clubs, wodurch der Film einen auch dokumentarischen Charakter annimmt. Da nie eindeutig ist, ob die jeweilige Szene des Films ein tatsächliches Ereigniss, wie es im Club stattgefunden hat, wiedergibt, oder ob sie ausschließlich, soweit man hiervon überhaupt sprechen kann, für den Film inszeniert wurde, fächert sich die Erscheinung der Schauspieler auf komplexeste Weise auf. Es lassen sich zumindest die vermeintlich ungespielte Handlung der Individuen, das reflektierte Spiel der Individuen als Teilnehmer am Single Club und das Spiel der Individuen als Schauspieler in den inszenierten Szenen ausmachen. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass einige der Szenen, die für den Film inszeniert wurden, nur bedingt geschauspielert wurden. So etwa eine Szene, in der Wissel verzweifelt in Tränen ausbricht, während er ein Selbstgespräch vor laufender Kamera führt. Beunruhigend ist auch, dass Wissel der Kamera anvertraut, er sähe keinen Grund weiter an dem F ilm zu arbeiten. Warum präsentiert er sich hier als verzweifelter Filmemacher und nicht als Betreiber des Nachtclubs Single? Um eine stringente Betrachtung des Single zu ermöglichen und das labyrinthische Geflecht der Ebenen der Repräsentation zu umgehen, wird der Single hier aus einer Perspektive betrachtet werden, die das ganze Projekt in suggerierter Eindeutigkeit erscheinen lässt. Wissel wies in einem Gespräch darauf hin, dass noch vor Eröffnung des Single Club bereits ein von ihm selbst entworfenes Poster den Single Film ankündigte. Die minutiöse Zeichnung zeigt eine Gruppe der Mitwirkenden des Single, über denen groß die Köpfe von Agi und Wissel grinsend schweben. Auf die Frage, ob denn der Single Club nur statt fand um dem Film als Bühne zu dienen, reagierte Wissel in einem späteren Gespräch zweideutig mit einem augenzwinkerndem Lachen. Wenn nun aber der Club vorrangig Mittel zum Filmzweck war, dann muss der Single Club als Bühne, als Stück verstanden werden, wobei jeder Teilnehmer unter den Augen des Spielleiters, wie Wissel sich selbst gerne bezeichnet, die Rolle eines Schauspielers einnimmt. Damit geht aber auch die Erwartung einher, dass sich die Teilnehmenden als solche verhalten, und gerade entlang dieser Erwartungshaltung verläuft der tragische Bruch des Single. Im Film wird Wissel einmal sehr deutlich, als er auf die Bemerkung, wie es denn sei, wenn man jemanden ‚abschleppte’, entgegnet, dass auch das nur als Teil der großen ‚Skulptur‘ Single funktionierte. Goffman belegt in seinem Buch The Representation of Self in Everyday Life anschaulich, wie sehr das Verständnis von Selbst eine kulturelle Konstruktion ist. Wir spielen eben alle Theater. Eigentlich überraschend aber ist Goffmans These, dass das Schauspiel, das Spiel mit Masken in der Öffentlichkeit, durchaus erwünscht ist. Dieses Spiel hat nichts Falsches, das es aufzudecken gilt, viel mehr ist es wünschenswert und jegliche Abwendung vom Spiel, wie es in der Neuzeit seit der Renaissance zunehmend geschehen, ist nach Goffman bedenklich: „In diesen Rollen erkennen wir einander; in diesen Rollen erkennen wir uns selbst“. Richard Sennett folgt dieser Linie und bringt es auf eine grundlegende Formel von Zivilisiertheit: “Zivilisiertheit bedeutet, mit anderen so umzugehen, als seien sie Fremde, und über diese Distanz hinweg eine gesellschaftliche Beziehung zu ihnen aufzunehmen, (...). Das Gegenteil von Zivilisiertheit ist Unzivilisiertheit. Unzivilisiertheit ist es, andere mit dem eigenen Selbst zu belasten. Unzivilisiertheit bedeutet Einschränkung der Geselligkeit, verursacht durch diese Last.“ Nur indem wir spielen und unsere Maske oder unsere vielen Masken wahren oder gar vermehren und vertauschen, schützen wir die anderen vor unserem eigenen Selbst. Spiel als Form der Handlung ist nach Sennett in Folge von Säkularisierung und Warenfetischismus in der Moderne verlernt worden. Statt öffentlichem Handeln trifft man auf eine „Mauer des Schweigens“, hinter der sich die Individuen vor dem psychologisierten Voyeurismus der anderen Individuen verstecken. Indem sich die Individuen mit Fetischen schmücken, versuchen sie, ohne die eigentlich grundlegende Bedingung der Handlung, die sie als Gefahr empfinden, da sie zu viel über das Selbst offenbaren könnte, den anderen Individuen kryptische Hinweise auf ihre vermeintlich wahre Natur zu geben. Dies ist das Wesen der Intimität im Öffentlichen, auf das auch Hannah Arendt in ihrem 14 Jahre vor Sennetts erschienenem Buch Vita activa eingeht: „Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die moderne Entdeckung der Intimität wie eine Flucht vor der Gesellschaft, die sich der gesamten äußeren Welt bemächtigt hat, in die Subjektivität eines Innern, in der allein man nun bergen und verbergen kann, was früher wie selbstverständlich in der Sicherheit der eigenen vier Wände aufgehoben und vor den Augen der Mitwelt geschützt war“. So erklärt sich auch die Unterscheidung von Person und Individuum, die man bei Sennett findet; denn eine Person ist für ihn der Mensch der öffentlichen Handlung, ein Individuum ist dagegen das vermeintlich freigewordene Subjekt, das sich der Handlung im eigentlichen Sinne weitestgehend entzieht. Wesentliches Merkmal dieser Entwicklung ist der Wegfall von Distanz, kosmopolitischen Verhaltens und öffentlicher Handlung zugunsten einer diffusen Suche nach Nähe zwischen den Individuen, die sich vor vermeintlicher Entfremdung zu schützen versuchen, indem sie Intimität suchen und diese Suche in die Sphäre der Öffentlichkeit verlagern. Nach Sennett führt aber keineswegs der mißverständliche und uneindeutige Begriff der Entfremdung zum Verfall des öffentlichen Lebens, sondern die verlorene Fähigkeit der Menschen Distanz zu wahren und als Person der Öffentlichkeit zu handeln. Genau diese Forderung aber wird an die Besucher des Single explizit gestellt, wenn davon auszugehen ist, dass es sich bei dem Projekt auch um das Schaffen einer Bühne handelt. Wie bereits angedeutet, verläuft hier der dramatische Bruch des Single, und es gilt zu untersuchen, in wie fern die Besucher desselben der Forderung nach angessenem Handeln gerecht werden, oder dieser überhaupt gerecht werden können. Die Bestimmung des Single als öffentlichem Ort verkompliziert sich bei genauerer Betrachtung, denn durch die Bezeichnung Club wird jeder der Anwesenden zum Club-Mitglied. Eintrittspreis ersetzt das Aufnahmeritual. Historisch aber stellt der Club das Antonym des Kaffeehauses dar, einer Institution des 18. Jahrhunderts, in der sich klassenübergreifend ausgetauscht werden konnte. Der Club dagegen, populär seit der Industrialiserung im beginnenden 19. Jahrhundet, stellt eine exklusive Gemeinschaft dar, ist per definitionem also ein privater Ort. Natürlich lassen sich ein zeitgenössischer Nachtclub und ein englischer Gentleman‘s Club des 19. Jahrhunderts kaum vergleichen. Gemeinsam ist allen Clubs aber, dass der Besucher davon ausgehen kann, im Club eine sich mehr oder weniger vertraute Gemeinschaft anzutreffen. Dies wird im Falle des Single unter anderem auch dadurch begünstigt, dass der Single zwar jedem zugänglich war, allerdings aus Sicherheitsgründen nur eine begrenzte Anzahl Besucher eingelassen wurde. Dies war den regelmäßigen Besuchern des Clubs natürlich bewusst, sodass die Informierten eher früher als später Einlass ersuchten, wobei schlechter informierte Fremde tendenziell später erschienen, nur um dann keinen Einlass zu erhalten. Der Single untermauerte diese Tendenz noch, indem Werbung vor allem auf einen bestimmten Kreis von Personen reduziert war, wohl nicht zuletzt um weiterer Überfüllung vorzubeugen. Damit bewegt sich der Single nurmehr am Rande von Öffentlichkeit und der Besucher kann eine relativ familiäre Atmosphäre im Single Club erwarten. Förderlich für das erhoffte öffentliche Handeln wäre allerdings eine Umgebung, in der die Anwesenden nicht in intimen Beziehungen zueinander stünden, wenn sie schon nicht in der Lage sind, Distanz zu dieser Intimität aufzubauen. Dies konnte der Single dann im Laufe der Zeit auch zunehmend bieten, da sich der Kreis der Besucher nach einer Reihe von Veranstaltungen deutlich ausweitete. Den größten Teil der Anwesenden machte aber nach wie vor der Kreis um die Kunstakademie Düsseldorf aus, was eine latente Bedrohung für Spiel und Öffentlichkeit darstellte. „Denn falsch an der Vorstellung, man könne eine Gemeinschaft gegen die Welt errichten, ist vor allem die Annahme, intime Erfahrung setze die Menschen in die Lage, auf dem Fundament gemeinsamer Gefühle eine neue Form von Geselligkeit zu entwickeln.“ Wenn also von den Teilnehmern des Single erwartet wird für die Dauer des Besuches nach Maßstäben von Öffentlichkeit zu handeln, dann wird dies sowohl durch die intimen Beziehungen ihres übrigen Lebens, als auch durch die intimen Beziehungen, die sich im Laufe einer Nacht im Single ergeben, erschwert. Denn die Verschiebung von (Schau-)Spiel hin zu intimen Beziehungen ist nach Sennett ein wesentliches Sympton der Krise des Öffentlichen: „Die Kunstfertigkeit die hier vertan wird ist die Schauspielerei. Um erfolgreich zu sein, ist die Schauspielerei auf ein Publikum von Fremden angewiesen. Unter Leuten, die intime Beziehungen zueinander unterhalten, verliert sie ihre Bedeutung und wird gar destruktiv.“ Die von Sennett angedeutete destruktive Tendenz einer intimen Gesellschaft rührt von deren Exklusivität her. Für ihn ist intime Gesellschaft gleich Ausschluss von Fremden. Auch Hannah Arendt geht auf die Notwendigkeit der Präsenz von Fremden und der notwendigen Gegebenheit eines bühnenhaften Raums als Bedingung des Öffentlichen ein: „ (...) Vortrefflichkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass andere zugegen sind, und diese Anwesenheit bedarf eines für diesen Zweck ausdrücklich konstituierten Raumes mitsamt einer räumlich etablierten, Abstand schaffenden Formalität; die familiär vertraute Umgebung derer, die zu uns gehören, kann Vortrefflichkeit nicht nur niemals gültig bestätigen, sie würde durch das Sich-Auszeichnen selbst geradezu gesprengt werden.“ Natürlich setzt Arendt hier einen anderen Schwerpunkt als Sennett, indem sie sich auf Vortrefflichkeit bezieht. Ginge man allerdings davon aus, sie spräche über das vortreffliche Spielen einer Rolle, so sind Arendt und Sennett sich in ihren Aussagen sehr verwandt. Arendts These ist also, dass sogar die vorzügliche Leistung, in diesem Sinne ein gutes Rollenspiel, in einer Gemeinschaft von Bekannten, einer intimen Gemeinschaft, nicht anerkannt werden kann. Der Öffentliche Auftritt ist bedingt von einem Publikum aus Fremden. Letztlich läuft auch eine gut gespielte Rolle Gefahr ausgehölt zu werden, wenn dieses Spiel zu bloßem Selbstzweck wird. Für den Moment des Clubs ist Spiel als Selbstzweck allerdings unbedingt wünschenswert, jedoch nur auf der Folie derselben Personen als Personen außerhalb des Clubs. Eine Gemeinschaft, in der das primäre Interesse dem leeren Spiel, der leeren Selbstpräsentation gilt, ist dem Prozess einer übermäßigen Vergesellschaftung unterworfen. Hat diese Gesellschaft zudem noch verlernt Rollen zu spielen, dann findet eine Vergesellschaftung der Triebe und Intimitäten statt. Einhergehend mit dem Wegfall der Schauspielkunst zugunsten intimer Beziehungen wird Darstellung in zunehmendem Maße von Verkörperung abgelöst. Statt dass die Besucher des Single also eine oder mehrere der Situation angemessene oder unangemessene Rollen einnehmen, versuchen sie ihr innerstes, natürliches Wesen, ihren wahren Charakter zu verkörpern und sich so anderen mitzuteilen und, schlimmer noch, diesen ihren wahren Charakter gleichzeitig aus Selbstschutz ohne das Substitut des Rollenspiels zu verbergen, wobei die Paradoxie der Situation auf der Hand liegt. Somit zwingen die Beteiligten allen anderen Mitwirkenden ihr Selbst auf, was jeder Form von Feierlichkeit und Geselligkeit zuwider läuft. Die vermeintliche Befreiung des Individuums bedeutet letztlich auch, dass die Person sich durch das Selbst begrenzt. „Das Vokabular der Selbsterschaffung ist zwangsläufig privat, wird von niemandem geteilt, ist ungeeignet zur Argumentation“, stellt Richard Rorty fest. Ein Außer-sich-geraten ist somit gar nicht möglich, weil sich dieses Außer-sich-geraten zunehmend als Introspektion erweist. Außer-sich-sein bedeutet die Überwindung des Selbst durch allgemeingültige Regeln oder einen erkennbaren Bezug auf diese, nicht das Überwinden allgemeingültiger Regeln zugunsten des Selbst. Nur scheinbar wächst die Freiheit mit dem Selbst. Tatsächlich jedoch stülpen die Individuen gleichsam eine Haut ihres triebhaften Inneren über sich, statt im Spiel Masken anzulegen, die ein echtes Außer-sich-geraten erlauben würden. Somit treten die Besucher des Single in eine Sphäre der Hysterie und einen Käfig der Perversion. Hysterisch beobachtet man die Wirkung des eigenen Selbst auf die anderen. Hierbei geht jede Distanz verloren, denn ungleich der Betrachtung eines Spiels wird nun der vermeintlich innerste Charakter eines Individuums beurteilt. Pervers ist die Beziehung der Besucher des Single untereinander, weil sie sich in einem System der gegenseitigen intimen Abhängigkeit befinden. Es kann hier von einer umfassenden intimen Schuld gesprochen werden und jeder Versuch dieser Schuld gegenüber Distanz aufzubauen kann als Verrat an den intimen Bindungen der Teilnehmer verstanden werden. Wie die hysterische Introspektion verhindert auch die intime Schuld und das daraus resultierende perverse System ein echtes Außer-sich-geraten der Teilnehmer der Performance Single. Das eigentliche Anliegen des Single ist jedoch eine mit diesem Außer-Sich-Sein einhergehende Travestie, die letzlich aber uneingelöst bleibt. Ein später erschienenes Poster für den Single Film verdeutlicht, wie zentral das Spiel mit Masken und Rollen für Wissel und den Single ist. Auch dieses Poster hat Wissel selbst gezeichnet, und es zeigt wieder die grinsenden Köpfe Agis und Wissels, wobei die beiden sich gegenseitig Masken von den Gesichtern nehmen. Wissel trägt das Gesicht Agis, Agi trägt das Gesicht Wissels. Das reale Katz-und-Maus-Spiel das sich die beiden liefern, soll in seiner Bedeutung somit auf den Single übertragen und ausgeweitet werden: Welche Rolle spielt Agi? Wer hält die Fäden in der Hand? Wer ist wessen Marionette? Sprechend aus dem OFF, betont Wissel in einer Szene des Single Films, dass sein Hauptinteresse dem Moment gälte, in dem Präsentation in Partizipation umschlüge. Während er diesen entscheidenden Punkt verdeutlicht, schwenkt die Kamera an dem nur mit etwas Folie behangenen Johannes Kithil herab auf dessen schlaffen Penis, (...). Die Reduktion der Person auf sein biologisches Wesen ist die Ruine der Partizipation. Partizipation im Sinne von Öffentlichkeit ist dagegen abhängig vom Spiel. Nach Sennett ist ein weiterer großer Verlust des öffentlichen Lebens die Aufgabe von Antizipation zugunsten von Passivität, Schweigen, Starren und Voyeurismus. Für einen Club bedeutet dies einen herben Verlust. Denn indem sich die Anwesenden hinter einer - wenn auch tanzenden - Mauer des Schweigens verbergen um möglichst wenig von ihrem wahren ich preizugeben, verwandeln sie den Club in einen Wartesaal voller Individuen, die sich selbstversunken mit ihrer jeweiligen Vergangenheit beschäftigen und gleichzeitig auf eine Zukunft spekulieren, in der ihr Verlangen nach dem perfekten Fetisch befriedigt wird. An dieser Stelle soll darauf hingwiesen werden, dass sich der Single nur bedingt mit anderen Clubs vergleichen lässt. Eine große Differenz zwischen dem Single und anderen Nachtclubs ist die Tatsache, dass sich das Verhältnis von handelndem Individuum und Mauer des Schweigens deutlich verschiebt. Im Single wird merklich weniger geschwiegen und tatsächlich mehr partizipiert, allerdings vielfach unter Auslassung des zwischen Selbst und öffentlicher Erscheinung vermittelnden (Schau-)Spiels. Dadurch entsteht ein Vakuum, denn die Individuen, die sich im Single zur Handlung entschließen, nehmen nicht eine Rolle ein, die die Situation entfesseln könnte; vielmehr entsteht eine Travestie der Triebe im Gegensatz zu einer Travestie der Personen, und daher muss im schlechtesten Fall vom Single als Zustand und nicht als Situation gesprochen werden. „Alle Zweige, die ins Wasser hängen, verneinen die Bewegung des Flusses. (...) Sie wanken und schwanken, jedes vom Fließen erfasste Ding, im Rhythmus der eigenen Stärke oder Schwäche, manche hastig, manche träge, manche majestätisch langsam, manche nervös, alle aber wie zwanghaft verneinend“. Komplementär zur oben bezeichneten Fetischisierung der Kommunikation etwa durch Modeaccessoires verläuft die Entropie der Erotik. Sennett bemerkt dazu: „In den vergangenen hundert Jahren hat die körperliche Liebe eine Neubestimmung erfahren; sie erscheint nicht mehr als Erotik, sondern als Sexualität. Die viktorianische Erotik bezieht sich auf soziale Zusammenhänge, Sexualität bezeiht sich auf persönliche Identität.“ Der Club als Bühne sexueller Beziehungen gerät in eine Sinnkrise, da das komplexe Spannungsfeld der Erotik wegfällt. Die Handlungen der Anwesenden werden wesentlich leer oder wenigstens unilateral. Die Intimwerdung der Beziehungen verhindert auch eine sexuelle Ausschweifung im eigentlichen Sinne des Wortes. Im Single haben oft nicht Personen, das sind Menschen, die als öffentliche Wesen in Erscheinung treten, an diesen Ausschweifungen Teil, sondern Individuen, die sich selbt auf ihre Triebhaftigkeit reduzieren. Dies geht für Sennett mit dem Verlust einer Sprache der Erotik in der Öffentlichkeit einher: „Die Sprache der außerehelichen Geschlechtsbeziehungen wies zahlreiche Gemeinsamkeiten mit anderen Formen des öffentlichen Diskurses auf.“ Die sexuelle Ausschweifung war somit etwas, das geteilt werden konnte und zwar als exemplarische Handlung. An dem bloßen Akt gehemmten Geschlechtsverkehrs zwischen einem oder mehreren Beteiligten des Single lässt sich oft nichts feststellen, dass Gültigkeit für das Handeln in der Öffentlichkeit haben könnte. Arendt bemerkt hierzu, das „(...) die Leidenschaften des Herzens, die Gedanken des Geistes, die Lust der Sinne - ein ungewisses, schattenhaftes Dasein (führen), es sei denn, sie werden verwandelt, gleichsam entprivatisiert und entindividualisiert, und so umgestaltet, dass sie eine für öffentliches Erscheinen geeignete Form finden.“ An dieser Stelle kommt auch das Thema Rausch ins Spiel. Es scheint, als wäre das Dionysische verloren gegangen. Dieses wurde nun im Single ganz explizit versucht wiederherzustellen, nicht zuletzt auch durch exzessiven Konsum von Alkohol. Der Bacchuskult ist Teil eines Verständnisses von Festivität, Rausch und Entgrenzung, das heute nur noch schwerlich nachvollziehbar ist. Die Teilnehmenden antiker Feste traten in einen Austausch mit den Göttern, sodass geradezu von einer Travestie zwischen Gott und Mensch gesprochen werden kann. Die Trunkenen sind in einem solchen Rauschzustand geradezu besessen; oder, um es anders auszudrücken, von einer Rolle durchdrungen. In der Jetztzeit ist dagegen „(...) der ganzen Gesellschaft die Idee abhanden gekommen, was es heißen könnte, auf schöne Art ein Fest zu feiern, und was das dann für jeden einzelnen an Ambitionen bedeuten müsste.“ Das oben beschriebene Vakuum, dass die Aufgabe des vermittelnden Spiels zwischen Individuum und Antizipation zurück lässt, wird nicht zuletzt durch den Genuss von Alkohol überwunden. So aber wird aus Rausch Exzess, und schließlich bleibt nichts als bloßer Suff. Jenes Individuum, das sich von seinem schweigenden Voyeurismus nicht lösen kann, gelangt unter Einfluss von Alkohol zu genügend Selbstbewusstsein um schließlich doch partizipieren zu können. Dabei bleibt es allerdings dem Selbst verhaftet ohne von einer Rolle vereinnahmt zu werden. Dieses Selbst reduziert sich unter dem Einfluss von Alkohol in zunehmendem Maße noch auf seine Triebe. „An der Farbe des Flusses aber sah ich heute morgen gleich, dass sich nichts verändert hatte, (er) war nur um gerade 20 cm gestiegen.“ Somit wird deutlich, warum das Dionysische und Zivilisiertheit einander nicht antithetisch gegenüber stehen, sondern dass das Dionysische Zivilisiertheit fortsetzt. „Die Erotik ist tatsächlich insofern verdammungswürdig, als Mensch zu sein bedeutet, die Grenzen zu beachten, ohne die wir Tiere wären. Aber inzwischen bedeutet „die Grenzen hinter sich lassen“ (...) über Mensch und Tier hinauszugehen, in das Reich des Verbotenen einzudringen, und das Verbotene ist, wie wir wissen, das Heilige.“ Das Dionysische ist die Aufrechterhaltung des zivilisierten Rollenspiels noch in der größten Ausschweifung, noch im entgrenztesten Rausch. Das gespaltene Verhältnis von Schauspiel und Alkohol wird in einer Szene des Single Films besonders deutlich, wenn einer der Protagonisten, Pavel, Wissel vorwirft, er sei nichts weiter als eine Pappfigur. Dieser reagiert darauf, in dem er Bier aus einer Flache über Pavel ausschüttet und zu diesem meint, er gäbe ihm gleich Pappfigur. Wissel spielt hier glänzend die Rolle des tragischen Helden. Denn indem er, der Schauspieler, die Pappfigur, Bier auf jemanden schüttet, der sich zumindest im Film des (Schau-)Spiels weitestgehend verweigert, hält er diesem gleichsam einen Spiegel vor. Er taucht denjenigen, der sein Projekt gefährdet, physisch ein in eine Gefahr, die das Projekt Single latent bedroht. Der Tatbestand Alkohol wird öffentlich evident gemacht. Das nach Bier stinkende Individuum ist der Gegenspieler der Pappfigur. Eine andere Szene des Films deutet auf das verlorene Bewußtsein von der Beziehung zwischen Rausch und Dauer hin, die angesichts der Dauer von vierundzwanzig Stunden für den Single offentsichtlich eine zentrale Bedeutung haben sollte. In dieser Szene liegen zwei Individuen auf dem sich kellerbedingt in Umkehrreaktion befindenden Rollrasen, mit dem der Single aus Anlass seiner Ersteröffnung ausgekleidet war. „Vielleicht ist die europäische Unzufriedenheit der neuen Zeit daraufhin anzusehen, dass unsere Vorwelt, das ganze Mittelalter, Dank den Einwirkungen der germanischen Neigungen auf Europa, dem Trunk ergeben war: Mittelalter, das heißt die Alkoholvergiftung Europa‘s. — Die deutsche Unlust am Leben ist wesentlich Wintersiechtum, eingerechnet die Wirkungen der Kellerluft und des Ofengiftes in deutschen Wohnräumen.“ Die beiden auf dem Boden Liegenden sind die letzten Dagebliebenen des Festes, von dessen vierundzwanzigstündiger Dauer der größte Teil bereits verstrichen sein muss. Eine dritte Person betritt den Raum, nüchtern und adrett gekleidet. Diese Szene verrät, dass nur die wenigsten Teilnehmer des Single dessen volle Dauer wahrnehmen, obwohl doch ein voll entwickelter Rausch sich nur über einen langen Zeitraum entfalten kann. Der Hinzugekommene unterbricht den ohnehin fehlgeleiteten Rausch der beiden anderen, wobei der Nüchterne und die Trunkenen nicht in einen Austausch treten. Nichts entsteht. Die Szene ist fast schmerzhaft in ihrer Klarheit. „Wir redeten davon, ob wir vielleicht, ähnlich wie versteinertes Holz, hier draußen einen ganz versteinerten Fluss finden würden. Man würde ihn daran erkennen, dass Blätter von Bäumen herunter gefallen auf seiner Oberfläche festgefroren seien und sich nicht bewegten. (...) Wir sahen den Diamantfluss in seiner größten, zeitlosen Ruhe.“ Der kurzen Untersuchung des Single Club schließt sich nun eine ebenso kurze Analyse der Beziehung von Single Club und Film an. Diese Beziehung ist wesentlich bestimmt durch einen Prozess der Transformation und Umkehrung. Diese beschreibt Arendt in jener bereits zitierten Textstelle sehr deutlich, wenn sie von privaten Angelegenheiten spricht, die: „(...) verwandelt, gleichsam entprivatisiert und entindividualisiert (werden), und so umgestaltet, dass sie eine für öffentliches Erscheinen geeignete Form finden.“ Denn der Single Film leistet eben genau dies: eine Übertragung des aktuell Privaten in eine Sphäre der Öffentlichkeit. Besonders deutlich wird dies in einer Liebesszene im Single Film, in der Wissel und seine Freundin ihre Bindung lösen. Diese Szene ist gespielt, hat aber so oder anders auch tatsächlich statt gefunden, und zwar einige Zeit vor Eröffnung des Single Clubs. Die Legende lautet, dass Wissel den Single vornehmlich gegründet hat um seine dann Ex-Freundin zurück zu gewinnen oder sie wenigstens zu beeindrucken. Dass diese Trennung stattgefunden hat, ist einem Großteil der Besucher des Single bekannt, da Wissel und seine Ex-Freundin vormals ein prominentes Pärchen in Düsseldorf waren. Für den Club ist diese Tatsache problematisch, denn indem Wissel den Single nach seinem eigenen Beziehungsstatus benennt, ist bereits eine Entscheidung gegen den Single als Ort der Öffentlichkeit getroffen. Der Single verweist mit seinem Namen auf die grundlegende Bedeutung des Clubs als Raum intimer Beziehungen und macht durch diese Namensgebung auch jeden Besucher zum Komplizen. Es hat sich aber herausgestellt, dass intime Beziehungen eine Bedrohung für jede Form von Öffentlichkeit darstellen. Eine Person mit dem Beziehungsstatus single ist oft nicht eine Person, die sich von jeder intimen Bindung befreit hat, sondern vielmehr ein Individuum, das sich mit seinem Beziehungsstatus identifiziert. Es stellt die Wunde seines Mangels als Fetisch offen zur Schau. Wissel aber, indem er den Club Single tauft, geht simultan auch einen gegenläufigen Weg, der sich im Film dann fortsetzen wird: indem er den Club nach seinem Beziehungsstatus benennt, macht er sein Single-Dasein zu etwas Öffentlichem und erfüllt daher die Forderung Arendts danach das Private zu etwas für die Öffentlichkeit Greifbarem zu machen. Wissel unterscheidet sich vom bloßen single seienden Individuum dadurch, dass er seinen Fall unmittelbar zu etwas macht, das allgemeine Relevanz hat und nicht bloß seinem Eigeninteresse entspricht. Allerdings scheint Wissel mehr oder weniger allein auf sich gestellt in diesem Vorhaben, denn das Verhalten der meisten anderen Besucher des Single verbleibt in den oben beschriebenen Verhaltensmustern, die dem Bild einer öffentlichen Handlung durchaus widersprechen. Single - das bedeutet auch, allein unter gleichen sein. Im Film jedoch wird schließlich auch das Verhalten der Besucher des Single umgekehrt zu etwas Öffentlichem. Durch seine oben bereits aufgezeichnete komplexe Struktur deutet der Film auf ähnlich komplexe Sachverhalte hinsichtlich des Verhältnisses seiner Protagonisten zur Sphäre der Öffentlichkeit hin. Tatsache ist aber, dass alles im Film Dargestellte schlicht dem Bereich des Öffentlichen angehört, eben weil es Teil des Films ist. Ein Film, der private Szenen zeigt, ist ein Film, der Privates öffentlich macht. Ein Film, der zusätzlich nicht deutlich macht, welche Szenen ursprünglich privat waren und welche öffentlich, stellt ganz explizit die Frage nach dem Öffentlichen. Privates und Öffentliches verschwimmen hier, wie es auch in der Realitität bereits nur noch, wenn überhaupt, flüssige Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen gibt. Dem setzt Wissel aber eine radikale Taktik der Öffentlich-Machung entgegen. So versucht er den Prozess der Intimwerdung umzukehren, indem er auch noch das Privateste, seine eigene Beziehung, öffentlich macht, und so die kontingenten Dinge zum greifbaren, teilbaren, allgemeinen Gegenstand werden lässt. Der Besucher des Single kann nicht wissen, ob die Tränen, die Wissel des nachts im Club über seine verlorene Beziehung weint, gespielt sind oder nicht. Nach Goffman kann diese Unterscheidung ohnehin nicht getroffen werden, da jedes Verhalten in gewissem Sinne gespielt ist. Nach Arendt und Sennett ließe sich sagen, dass gut oder schlecht gespielt werden kann und dass Wissels Spiel eindeutig geglückt ist, wenn sich die Grenzen nicht ausmachen lassen. Wissels Spiel zeichnet sich sowohl in der Realität des Clubs wie auch im Film besonders dadurch aus, dass er in der Lage ist seine Innenwelt in einer Weise zu kommunizieren, die ihn auch im Zustand der Verzweiflung als Mensch der Öffentlichkeit erscheinen lässt, da er in der Lage ist, Gefühle solcher Art überhaupt öffentlich kommunizieren zu können. Dadurch werden diese Gefühle zwischen vielen Menschen teilbar und aus der Intimität geborgen. Trost ist für Wissel nicht in Form von Mitleid zu erwarten, sondern in dem Sinne, dass die Besucher des Single dafür Sorge tragen, dass Wissel auch weiterhin seine Rolle als Spielleiter aufrecht erhalten kann und gerade nicht als psychisches Wrack, als nicht öffentliches Individuum, bemitleidet wird. Wenn Wissels Trennung Grund oder Auslöser für ihn war den Single zu eröffnen, dann ist das öffentlich relevant und sogar im oben umrissenen Sinne zutiefst erotisch. Einen gegenteiligen Effekt haben Filmproduktionen von Hollywood und Pornoindustrie. Auch diese machen Intimes öffentlich, leisten aber keine Transformation. Sie verpesten lediglich den Bereich des Öffentlichen mit Intimität und Großaufnahmen. In seinem Vorhaben erinnert Wissel mitunter an die Romanfigur Gatsby, von F. Scott Fitzgerald. Der Große Gatsby, nun breits mehrfach verfilmt, ist eine Figur von trauriger Größe. Wie auch Wissel versucht Gatsby seine verlorene Liebe zurück zu gewinnen, indem er sich als Gastgeber rauschender Feste hervortut. Schon der Vorsatz, den Fitzgerald für seinen Roman wählt, ein Zitat nach Thomas Parke D‘Invilliers, deutet darauf hin, welchen Stellenwert die für Wissel relevanten Themen, wie Spiel und Eroberung, auch in dem Roman von Fitzgerald haben: „Dann trage den goldenen Hut, wenn das sie zu rühren vermag; und wenn du hoch springen kannst, spring hoch für sie, auf dass sie dir zuruft: ‚Geliebter, goldhütiger Geliebter, dich muss ich haben‘.“ Bei allen Ähnlichkeiten jedoch, die sich zwischen Wissel und Gatsby festellen lassen, sind an dieser Stelle vor allem deren Unterschiede relevant. Da ist einerseits die Tatsache, dass Gatsbys Identität gänzlich erfunden ist. Nur unter Vortäuschung falscher Tatsachen ist er zum Großen Gatsby geworden, eigentlich ist er ein Sohn ärmlicher Bauern. Hierin geht Gatsby also weiter als Wissel, der, zwar auch ein Meister des Spiels, sich lediglich als Nachtclub Betreiber stilisiert und somit spielt, aber nicht täuscht. Wissel seinerseits überragt Gatsby in dem Sinne, als dass er nicht bloß tragischer Held bleibt und daher letztlich, wie es Gatsby geschieht, aus dem öffentlichen Leben scheidet. Fitzgerald beschreibt die Entropie des verblassenden Erscheinens, wie es Gatsby geschieht, äußerst treffend in einem dem Großen Gatsby vorhergehenden Roman: „The growth of intimacy is like that. First one gives off his best picture, the bright and finished product mended with bluff and falsehood and humor. Then more details are required and one paints a second portrait, and a third - before long the best lines cancel out - and the secret is exposed at last; the panes of the pictures have intermingled and given us away, and though we paint and paint we can no longer sell a picture.“ Vermittels des Single Films zieht Wissel sich dagegen gleichsam selbst an den Haaren aus dem Sumpf, denn indem er sein persönliches Drama und das Drama des Single Clubs in einem Film behandelt, Leben und Club somit erst zu ihrer dramatischen Lesart verhilft, bleibt er letzlich als Figur über sein privates Leben erhaben. Denn er ist es, der sich selbst als Held oder Antiheld stilisiert, wenn er mit Hilfe von Jan Bonny einen Film über die eigene Person und den Single produziert. Gatsby braucht einen Erzähler, der von seinem Werden und Vergehen erzählt. Wissel ist selbst der Erzähler, der sich eigenhändig in den Diskurs und die Geschichte einschreibt. Indem er jedoch sein tendenzielles Scheitern als Betreiber des Clubs darstellt, inszeniert er sich in einer tragischen Komödie, ohne eigentliche Katharsis. Die Geschichte des großen Gatsby erzählt, ähnlich der des Single, von der mit der Intimität im Widerstreit liegenden Öffentlichkeit. Fitzgerald und Wissel tragen ihre jeweilige Geschichte ans Licht der Öffentlichkeit und bringen sie in einen Diskurs, der Denkanstöße für eine neue Art der Öffentlichkeit geben kann. Wie im Single Club Öffentlichkeit durch die oben kurz umrissenen Prozesse stetig verkommt und wie im Roman Fitzgeralds Gatsby schließlich erlischt, zurückgegangen in seine Privatheit, so kristallisiert sich im Single Film die Bedeutung öffentlichen Handelns langsam heraus. Der Film verhält sich diametral entgegengesetzt zur Entropie des Öffentlichen, dessen Verfall durch das Intime verursacht wird. Er zieht den Stopfen vom Abfluss. „Der Fluss, ruhig geworden, zieht sich immer mehr ganz in sich zurück.“ Phillip Rühr, September 2013 1 Kracauer, Siegfried: Theorie des Films. Suhrkamp, Frankurt a.M., 2012, S.111. 2 Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S. 202. 3 Cassavetes, John: Cassavetes über Cassavetes. Verlag der Autoren, Frankfurt a.M. 2003, S. 539. 4 Goffman, Erving: Wir Alle Spielen Theater. Piper, München, 2013, S. 21. 5 Sennett, Richard: Verfall und Ende des Öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität. Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin, 2008, S. 462 f. 6 Arendt, Hannah: Vita activa. Piper, München, 2011, S. 84. 7 Sennett, Richard: Verfall und Ende des Öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität. Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin, 2008, S. 159. 8 Ebd.; S. 515. 9 Ebd.; S. 67. 10 Arendt, Hannah: Vita activa. Piper, München, 2011, S. 61. 11 Vgl. Sennett, Richard: Verfall und Ende des Öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität. Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin, 2008, S. 90. 12 Rorty, Richard: Kontingenz, Ironie und Solidarität. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2012, S, 13. 13 Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S. 224. 14 Sennett, Richard: Verfall und Ende des Öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität. Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin, 2008, S. 28. 15 Ebd., S. 189. 16 Arendt, Hannah: Vita activa. Piper, München, 2011, S. 63. 17 Goetz, Rainald: Johann Holtrop. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S, 318 18 Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S. 235. 19 Bataille, Georges: in: Sprachen des Körpers. Merve Verlag, Berlin, 1979. 20 Nietzsche, Friedrich: Die Fröhliche Wissenschaft. Reclam, 2000, S. 146, § 134. 21 Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S. 236. 22 Fitzgerald, F. Scott: Der Große Gatsby. Diogenes, Zürich, 2006. 23 Fitzgerald, F. Scott: The Beautiful and Damned. Penguin Books, 2004, S. 91. 24 Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M., 2012, S. 206.

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Single Club

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Taking Up Space: Binge Arting and the Klüngel: Nepotism: 20 nights, summer, (somewhat) free beer, an inspirational speaker, soup, a freak storm, a jazz singer, a porn party, cold milkshakes, a psychic. These were just a few components of Alex Wissel’s Klüngel project for the 2014 Düsseldorf Quadriennale. Held in a former hard- ware store, the project included art exhibitions, lectures, events and par- ties fueled by pay-what-you-wish alcohol. It is this sort of exhaustive lo- gic we can follow into the sleepless laboratory of Alex Wissel’s Klüngel. A logic of chance situations and strange events that the Klüngel enveloped as it proceeded with its non-stop program. First– a little background: We can trace the birthplace of the Klün- gel to a series of parties called the Single Club. Two years ago Wissel stumbled his way out of a break-up and into a now legendary monthly party. These 24 hour celebrations, with a name to suggest the attitude and psychological effect of the party, took place each month over the course of 2011/12. While the goals of the Single Club and the Klüngel are far from each other, a concept of excess is a central tenet of each. Excess as progenitor of itself, excess as a way to instigate intensity, and excess as a colonizer of time and space. Most essentially, the 20 nights of Klüngel created time and space out of a place with limited remaining energy. The now-closed hardware store that housed the activities of the Klüngel had run out of time. The building complex is a series of cobbled together, generic post-war stucco buildings, glued together with a parking lot. The actual interior consisted of one large, glass walled, rectangular room with a bar and DJ booth at one end, a stage somewhere near the middle, and seats at the other end. Alex Wissel took over the vacant, and scheduled to be be demolished building. The Klüngel was a kind of resurrection, the building ́s last hurrah. It could be compared to the last burst of excess energy escaping before a star implodes. 20 days of intensity. The Klüngel’s interior design was a re-organization of the original architecture by Jochen Weber aka Atelier Superplan. The stage was made from ceiling tiles stacked on the floor. Lights hung as pillars along the walls. Like some kind of Franken- stein, Wissel brought the hall back from the dead; its parts re-assembled and jolted into one last surreal animation. In conversations with Wis- sel and the event organizers, one learns that none of them slept for the event’s 20 days. The program demanded all excess energy be used for its implementation. This was a space on borrowed time, one that doesn’t belong to the natural world. The Klüngel performance divided into two loose types, parties and exhibitions. While these two events historically tend to coincide with each other, they rarely happen with such speed and frequency within the same space. Exhibitions consisted of multiple film screenings, a poster show, an inspirational speaker, a jazz vocalist, a card game, paintings, a milkshake bar, and various installations. All of these lasted for one night only; the shows were installed and de-installed within 24 hours. The par- ties functioned like lubrication in a sense, exhibitions slid into parties, which ran into the early hours of the morning only to slide back into an exhibition. Where the exhibitions were set instances organized each time by a different person, the parties were strange, often small, but so- metimes large, gatherings of artists and locals who happened to wander by. These components assembled into a semi-autonomous space, one that operated in its own rhythm, creating a time zone without recogniti- on of an external one. Unlike Wissel’s Single Club, time here is not distorted through a limited 24-hour window; instead it is a kind of extended descent into a working schedule from hell. The space itself was intended as a type of convention or conference hall. So perhaps the event as a whole can be seen as an extended meeting, a 20-day conference, a model of working without resting. Two of the organizers who were in charge of the project with Wissel, Christian Poral and Gero Graf, have a day job at a bar. They would finish work at 4pm and drive straight to Wissel’s Klüngel only to end between two and six o’clock in the morning in order to begin again. The exhibitions matched this speed with their own rapid replacement of each other. The exhibitions, in their brevity, became hybrids, somewhere between exhibition and circus act. A video screening from Peter Sempel was closer to a performance. Instead of screening videos separately, in their own space, they became contortionists, warping themselves to fit into the speed of the Klüngel. The three videos, Nina Hagen = Punk + Glory (1999), Just Visiting This Planet (1991), and Lemmy (2002), bled into each other visually and sonically. Sempel mixed the sound as the videos played, switching between tracks to melt images together with alternating music and dialogue. An inspirational speaker, courtesy of artists Stanton Taylor and Tobias Höhn, gave a self-optimization presentation. The speech operated in wa- ves and lulls, alternating between lulling rhetoric and several instances of interruption. In one case an audience member threw up, another inter- mittently heckled the speaker, and the speaker himself became paralyzed by bouts of laughter at various points throughout the lecture. Eventually he became so angry as to conclude the lecture by storming out of the hall shouting. This was inspirational speech as clowning, a routine interrup- ted by gags and jokes. Once the Klüngel’s tent was pitched, the acts ne- ver stopped. The circus tent of resurrected time occupied the fairground continuously. This kind of working model is not without precedence, it is in fact a work model we may be adopting with increasing prevalence. There have been a slew of recent articles in various publications that suggest smart phones and tablets have created an extended work zone. One of these was an exaggerated account of a pact between French companies and workers that acknowledged the worker’s right to ignore work rela- ted emails and phone calls after 13 hours of work. The exaggerated form, which in early April 2014, spread quite rapidly to other publications and blogs from The Guardian’s website, claimed French lawmakers passed a law which restricted about a million workers from opening or respon- ding to work related emails and phone calls after 6 pm. While this ver- sion is not true, the speed at which the exaggerated version was picked up by publications like the Economist, The Times, The Independent, etc., speaks volumes about the truth-value of the exaggeration. In other words, this law was incredibly believable. While this may point to some kind of long standing British-French rivalry, it really suggests that this kind of never ending workday is very real. Real enough to believe wi- thout second guessing facts. Hito Steyerl states in Art as Occupation: Claims for an Autonomy of Life, that labor has begun to appear more like an occupation. To elaborate, she means that the space and time that once belonged to work has shifted. What we call work is much closer to something like occupation, where flexibility characterizes time and spa- ce. In Steyerl’s words, “An occupation is not hinged on any result; it has no necessary conclusion”. While the Klüngel meeting lasted 20 days it did not have a necessary conclusion. The event draws its power from its ability to create a continuum; its energy not only carries one event to the next, but also opens itself onto the neighborhood, extending its conclusi- on, taking over larger territories. In response to the events at Oberbilker Alle 51 the neighbors began to complain. This, obviously, is a natural response to excessive noise late at night. However, three features make this noise complaint interesting; primary complaint was that of an inconvenience to sleep and therefore the working week, the second is that the event’s purpose was to facilita- te work, the third is simply the fact that the event brought neighboring spaces into it’s sphere of influence. Why did Wissel’s event fail to facilita- te? The neighbor’s time-space was different than the Klüngel’s time-spa- ce. More specifically, the Klüngel’s time-space operated as an occupier, this is Steyerl’s occupational work schedule which ignores and therefore disintegrates any kind of hierarchical organization. Night and day are confused, 9 to 5 ceases to imply an 8 hour work day, replacing it with a much vaguer 20 hours, something like 9 to 5am. The neighbors’ comp- lained specifically about events held on weekdays that deprived them of necessary sleep. This is perhaps a hallmark and regular occurrence in the tradition of hard partying, particularly in Germany. Regardless, the halls of the Klüngel are in essence a destruction of human circadian rhythm. Within this destruction there follows an imposition of a different kind of rhythm. This kind of occupation stands in contrast to a different kind of ter- ritorial expansion. At one point a psychic wandered in from the street and began handing out business cards and telling fortunes. Regardless of whether the music or something else compelled him down the alley into the Klüngel’s hall, his presence appeared to be an almost scheduled event. Here the Klüngel’s occupation of the surrounding space is recipro- cated by the psychic who moves into the space of the Klüngel, using it as his own space of business. The destruction is mutual, the psychic dis- rupts the event, in this case a movie screening, and the event pulls the psychic off the street to work in the space of the Klüngel. The psychic left us with an aphorism, “to make art is to find a cor- ner in a round room to piss in”. While not particularly insightful, it has a nice ring and suggests the somewhat established idea that decent art can find and manipulate hidden geometries. Perhaps this is the extent to which one can hope an aphorism holds accuracy; it sounds good and makes a well-accepted statement. However the point here is about pis- sing on cars in a parking lot. Expanding territory. – Isaiah Yehros

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